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Wie wir die Zeit mit dem Pferd wirklich genießen können

12.Nov 2020 | Gedanken

Wir alle sind mittlerweile recht gut darin, Momente mit dem Handy festzuhalten. Aber kann das Handy das wirklich für uns tun? Und was bleibt dabei auf der Strecke? Dies ist ein Post für all die Momente, in denen wir keine Kamera bei uns haben (und in denen das auch genau richtig so ist) – und die dadurch dazu einladen, sie auf andere Weise zu erfassen.

Eine nächtliche Weideszene

Montagabend. Es war gegen 19 Uhr, ich war spontan auf dem Hof und wollte meine kleine Stute nur kurz holen und versorgen. Zu meiner Überraschung fand ich sie mit ihrer Freundin nicht vorne beim Heu, sondern weit hinten auf der dunklen Weide. Die Freundin grasend, meine Stute liegend. (Ich weiß nicht, ob du das kennst, aber mein erster Gedanke bei unerwartet liegenden Pferden ist immer: “Oh nein, ist alles in Ordnung!?” Aber sie schien ganz ruhig und auch fröhlich.)

Also habe ich mich zu ihr gesetzt, sie gestreichelt, vorsichtig ihren Kopf in den Schoß genommen. Zu meinem Glück schien sie das sehr zu genießen. Irgendwann verließ uns ihre Freundin, und ich war ziemlich sicher, dass sie gleich auch aufstehen und gehen würde – wir waren schließlich ganz allein auf der Weide, es war dunkel und die anderen Pferde beinahe außer Sichtweite. Sie schien kurz zu überlegen, entschied sich aber dann für die Entspannung und legte sich tief ausatmend jetzt ganz flach neben mich auf den Boden. 

So saßen bzw. lagen wir dann eine ganze Weile nebeneinander, gemeinsam atmend, bis sie irgendwann einschlief. Nach einer Weile begann sie anscheinend zu träumen, zuckte hin und wieder mit den Beinen, und ich meditierte und versuchte, mich so tief wie möglich auf den Moment einzulassen.

Nach einer weiteren, relativ langen Weile setzte sie sich wieder auf und legte wieder ihre Nase auf mein Bein. Ich nahm ihren Kopf in beide Hände und konzentrierte mich ganz unsere Verbundenheit. 

Irgendwann schien auch dieser Moment vorbei, die Energie veränderte sich. Ich stand auf, und ging langsam von ihr weg, Richtung Herde und Tor. Sie rieb ihren Kopf noch einmal ins Gras, stand dann auf und folgte mir langsam.

Meine kleine Stute und mich hat diese gemeinsame Zeit auf noch tiefere Weise zusammengeführt, das habe ich in dem Moment gefühlt und das fühle ich auch heute noch.

Ich hatte mein Handy nicht dabei, keine Kamera, kein anderer Mensch war da. Aber ich weiß, dass ich die nächsten Monate immer wieder an diesen Moment denken werde und wünsche mir, dass die Erinnerungen ganz lebendig sein werden. Und vielleicht war dieser Moment gerade dadurch, dass ich nichts anderes tun konnte, als zu sein, so intensiv und exklusiv für uns. 

Es gibt Momente, die sind so schön, dass man möchte, dass sie nie enden.

Ich lerne zunehmend, dass es jedoch nicht darum geht, sie festzuhalten, gedanklich oder künstlich durch eine Kamera, sondern darum, in ihnen so präsent wie möglich zu sein. Die Sinne zu aktivieren, möglichst jeden Teil des Körpers darin zu fühlen. Damit das eigene Bewusstsein diesen Moment ganz erfassen kann, darin sein kann. Darum habe ich mich an diesem Abend bemüht.

Das Gewicht des Pferdekopfes auf meinem Bein, ihr Fell unter meinen Händen, die kalte Luft in meinen Lungen, der feuchte Boden unter meinen Knien, das Geräusch der entspannten Atmung meiner Stute, das warme, volle Gefühl in meinem Brust- und Bauchraum,…. diese Elemente schmücken meine Erinnerung an diesen Moment auf eine Art und Weise, die kein Foto, nicht mal ein Video vermag – und ich fürchte, dass ich sie verpasst hätte, wenn ich wieder mal nach meinem Handy gekramt hätte.

Wir leben in einer Zeit, in der wir immer mehr festhalten und teilen wollen. Das birgt auch viele Vorteile. Ich fürchte aber auch, dass wir dadurch verlernen, den Moment zu genießen, wenn wir nicht aufpassen. Wenn wir unsere Augen zu leichtfertig gegen die Handylinse ersetzen. Wenn wir so beschäftigt nach dem richtigen Aufnahmewinkel suchen, dass der Moment vergeht, ohne, dass wir wirklich eingetaucht sind.

Wie viele Momente sind das wohl täglich? Und damit meine ich nicht nur die offensichtlich besonderen, wie den oben, sondern auch die kleinen, die so unbedeutend und alltäglich erscheinen, unser Leben aber einfach reich machen?

Ich möchte dich heute einladen, einmal auf die Suche nach den Momenten des Alltags zu gehen, die wir nicht festhalten: Nicht nur, weil kein Handy, keine Kamera zur Hand ist, sondern vielleicht auch, weil die Momente zu alltäglich erscheinen. Weil sie morgen vermutlich genauso sein werden. Aber was, wenn nicht…? Wie können wir unser Leben wirklich so bewusst leben, unseren Körper so bewohnen, dass wir sie nicht verpassen? Dass wir von ihnen erzählen können, als gäbe es ein Foto – mehr als das sogar – weil wir sie mit unseren Sinnen erlebt haben?

Welcher Moment in deinem Leben könnte ein solcher heute für dich sein? Welchen möchtest du festhalten? 

Über die Autorin

Daniela Kämmerer

Daniela Kämmerer

Visionärin, Pferde-Menschen-Coach, Yogalehrerin, Autorin

Daniela möchte Menschen und Pferden helfen, sich wohler in ihrer Haut zu fühlen und aufzublühen. Nicht zuletzt, da sie nur so auch gut füreinander sein können – und für ihre sonstige Umwelt.

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