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Auf der Suche nach einem anderen Weg – Eine Umsteigerin erzählt

3.Dez 2012 | Trainingsalltag, Unkategorisiert

Neulich bekam ich eine sehr nette Anfrage von einer Reiterin, die gerade eine Reitbeteiligung auf Jet begonnen hat, einen netten Paint-Mix-Wallach, den ich schon lange und gut kenne. Sie suchte nach “Übersetzung” zwischen ihr und ihrer “englischen” Reitausbildung und Jet, einem erfahrenen, sehr fein ausgebildeten Westernpferd. Ihre erste Begegnung mit Jet war auch ihre erste mit der Westernreitweise, und sie war so begeistert von der großen Entspanntheit, die sie im Umgang mit Jet kennengelernt hat, dass ich sie spontan gebeten habe, ihre Erfahrungen zu Papier zu bringen. Sicher gibt es viele andere Reiter, die sich einen entspannten Umgang mit dem Pferd wünschen, ihn aber in den “konventionellen” Reitschulen bisher noch nicht gefunden haben.

Ich möchte darauf hinweisen, dass die hier beschriebenen Unterschiede nicht in erster Linie als Unterschiede zwischen der Western- und der “Englisch”-Reitweise per se zu verstehen sind. Sicher – die Hilfen und Übungen unterscheiden sich hier und da, doch gutes Reiten und ein gelassener, harmonischer Umgang mit dem Pferd ist nicht verbunden mit einer bestimmten Reitweise, sondern vor allem mit dem Reiter und der Einstellung, mit der er aufs Pferd steigt.

Bei Simone war es jedoch das Westernreiten, das ihr die Augen für etwas Neues geöffnet hat. Gerne helfe ich ihr natürlich bei der Übersetzung. Für Euch hier aber hier erstmal ihr Erfahrungsbericht nach ihrer ersten Stunde mit Jet. Vielleicht eine kleiner Schubs für so manchen, einfach mal etwas Neues auszuprobieren…

Simones erste Eindrücke vom Westernreiten

“Nach meiner ersten Stunde als Umsteigerin im Westernsattel und meinen ersten Eindrücken dieses Reitstils empfinde ich den ihn als sehr entspannend, ohne Zwang, Druck und Verkrampfung. Ich bin fasziniert von der Leichtigkeit und dem entspannten Miteinander mit dem Partner Pferd, nicht dem Sportobjekt, das in der klassischen Reitweise immer funktionieren muss und auf Wunsch parat sein soll. Die Westernpferde wirken in sich ruhig und entspannt und geben dieses auch weiter. Nach meinem ersten Mal auf Jet war ich sehr entspannt, glücklich und ruhig.  Ich war auch vorher nicht aufgeregt und unsicher, obwohl ich von den Westernhilfen keine Ahnung habe, denn Jet hat mir mit seiner Art Sicherheit gegeben (sonst sitze ich nie ohne Kappe und Sicherheitsweste auf einem Pferd…).

Ich hatte nicht das Gefühl, dass es nicht gut ‚gelaufen‘ war, wie sonst im englischen Unterricht. Es war o.K. so wie es war. Es war nicht perfekt, aber es war gut und ich habe das erste Mal gespürt, dass das Pferd gern geführt werden möchte und neugierig ist, was der Mensch da wohl von ihm will und wer er ist. Toll fand ich bei Jet, wie er reagiert hat, als ich in Tüddel kam mit der Hilfengebung: Ich merkte ihm seine Verwirrung an, aber er blieb ruhig und fragte nach, was ich denn da eigentlich von ihm will. Danach wollte er sehr genau wissen, was es denn nun sein soll und hat mir meine Schwächen klar quittiert, indem er einfach machte, was er meinte, aus meinen Hilfen gelesen zu haben. Es interessierte ihn nicht, ob das auch so gemeint war… Als ich aber einmal mit strenger lauterer Stimme zu ihm sprach, war ein leises Zucken zu spüren und ein ‚Huch was das, ich hatte doch eigentlich gar nichts vor…‘
Die westernausgebildeten Pferde scheinen viel mehr auf die Stimme des Reiters mit all ihren Nuancen geprägt, als z.B. das klassische Schulpferd, wie ich es vorher kennengelernt habe. Ich glaube, solche Pferde haben es verlernt, weil keiner mehr richtig mit ihnen spricht. Umso begeisterter bin ich nun von den gut erzogenen Pferden, die freiwillig ruhig stehen, neugierig sind und nicht abgestumpft darauf warten, was als nächstes kommt und dabei zappelig und nervös werden, und zum Teil genervt sind, von dem, was kommt.

Sicherlich, es gibt in allen Richtungen helle Vorbilder und dunkle Schafe, aber der Druck, der sich bei mir aufbaute, als ich als Teenie vom Reiten auf den Ponys ohne Sattel durchs Gelände kam und Unterricht nahm, war hoch und merkwürdig. Ich habe mich verkrampft, ein Aussitzen im Trab im Sattel war fast unmöglich und an einen ‚losgelassenen‘ Sitz war gar nicht zu denken. Man mag das auf meine doch zum Teil großen Pausen im Reiten zurückführen, das Gefühl habe ich jedoch eher nicht. Im Westernsattel fühle ich mich gleich viel wohler, als im englischen, auch wenn ich dadurch zunächst auch nicht viel mehr vom Pferd spüren kann. Aber er ist anders und ich sitze entspannter und lockerer. Beim Trab war ich erstaunt, dass auch das Aussitzen recht gut funktionierte. Ich habe die Beine nicht hochgezogen, keinen Steigbügel verloren. Sicher, es war noch nicht gut und holprig, aber es ging von Anfang an – das ist sonst nicht der Fall.

Was mich schon immer störte, war die Art und Weise, wie in den Ställen mit den Pferden umgegangen wird. Der Ehrgeiz und das Konkurrenzverhalten überträgt sich auf die Pferde, sie sind nervöser und unruhiger. Dafür werden sie bestraft, wenn sie ihren Gefühlen, Ängsten Unsicherheiten nachgeben und nicht ‚artig‘ sind. Dann wird geschlagen, gebrüllt und an Stricken gerissen. Beim Reiten wird Druck ausgeübt, in jeglicher Form und Kraft. Ich denke immer, “so ein großes machtvolles Tier folgt mir kleinem Menschen, freiwillig, stellt seine Wünsche und Bedürfnisse hinten an, macht Dinge, die es von allein nicht machen würde, dass muss es nicht und tut es doch”.

Ich genieße jetzt die Erfahrung des Loslassens, des “sich einfach von und mit dem Pferd tragen lassen” etwas gemeinsam zu machen, alles kann, aber nichts muss auf Zwang. Kein Druck, sondern Entspannung und partnerschaftliches Miteinander, nicht bis zur Erschöpfung darum kämpfen, dass das Pferd sich genau so bewegt, wie ich es will. Es auf die freundliche Art und Weise machen, “hallo, ich will was von dir, komm mit”. Sicher muss man auch aufpassen, dass das Pferd nicht die Kontrolle übernimmt und einen ausspielt… Ich habe aber das Gefühl, dieses wird hier anders geregelt, als ich es bisher kenne.

Feine, kleine Hilfen ohne Druck und Kraft, der Bewegung folgen, loslassen, entspannt sein.
Ich bin gespannt und neugierig, was alles so auf mich zukommt und vor allem wie. Sicher wird es Punkte geben, wo man denkt, “was mach ich hier und warum geht gar nichts mehr!?”, aber mein Gefühl sagt mir, dass ich da angekommen, bin wo ich schon immer hinwollte, es aber nur nicht bemerkt habe. Ich habe mich immer gefragt, warum vieles so sein muss, wie es ist – ob es nicht auch anders geht. Ich hoffe nun, mir meine Fragen beantworten zu können, und freue mich auf alles, was da so kommen mag.” – Simone Kmetsch, 08.11.2012

Simone, vielen Dank für Deinen Bericht – ich wünsche Dir viel weiterhin Spaß und hoffe, dass ich Euch beide bald Stück für Stück begleiten kann.

photo credit: chumlee10 via photopin cc

Über die Autorin

Daniela Kämmerer

Daniela Kämmerer

Visionärin, Pferde-Menschen-Coach, Yogalehrerin, Autorin

Daniela möchte Menschen und Pferden helfen, sich wohler in ihrer Haut zu fühlen und aufzublühen. Nicht zuletzt, da sie nur so auch gut füreinander sein können – und für ihre sonstige Umwelt.

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